Hommage auf sinfonische Blasmusik

Hommage auf sinfonische Blasmusik

Deutsche Erstaufführung mit der Bläserphilharmonie Osnabrück

von Ludger Rehm

Was für einen Champions-League-Trainer gilt, gilt auch für einen guten Dirigenten: sein Orchester
immer fordern, es besser machen und jeden Einzelnen zu Höchstleistungen zu bringen. Jens
Schröer, seit über zehn Jahren Leiter der Bläserphilharmonie Osnabrück, ist so ein Orchester-
Trainer. Alljährlich stellt er für ein Konzertprojekt sein Orchester neu zusammen, setzt auf bewährte
Kräfte, integriert neue und entwickelt hörenswerte und niveauvolle Konzertprogramme.

Das diesjährige Doppelkonzert am Samstagabend in der Aula des Graf Stauffenberg-Gymnasiums und
am Sonntagnachmittag im Großen Saal der Freien Waldorfschule stimmt mit einem
philharmonisch-blechlastigen Wiener Dreiklangs-Fanfaren-Jodler-Getöse von Richard Strauss
schmissig ein. Im Kontrast dazu stehen die sorgsam intonierten Schwebetöne von John Mackeys
„Aurora awakes“, die wohldosiert und voluminös die Stimmung eines Sonnenaufgang
nachzeichnen. So schön und ausbalanciert dieser erste Teil der Komposition gespielt wird, desto
weniger gelingt es über den zweiten etwas amorph daherkommenden einen nachvollziehbaren
Bogen zu zeichnen. Allerdings das riesige Potential des Orchesters wird schon hier hörbar und
weckt Freude auf die weiteren Werke! Der von John Boyd und Michael Votta brav, aber farbig
arrangierten „Trauermusik über Motive aus Carl Maria von Webers ‚Euryanthe’“ von Richard
Wagner entlocken die Bläser elegische Mixturen und zeigen, dass ein Blasorchester auch mit
Werken des traditionelles Repertoires gut überzeugen können. Als erster Höhepunkt des Abends
dürfen aber wohl die Paganini-Variationen von James Barnes gelten. Hier wird das eingängige a-
moll-Thema der wohl bekanntesten der Violin-Capricen von Paganini in zwanzig Variationen
beleuchtet und umgedeutet. Mal hört man galoppierende Trompeten, jaulende Posaunen, quäkende
Fagotti, mal eine grummelnde Baßklarinette oder ein grunzendes Kontrafagott, fein ziselierte
Oboenmelodien, effektvoll siebenfach besetztes Schlagwerk und natürlich klanggewaltig
aufgetürmte Tutti-Stellen. Und das alles wird ganz im Sinne des Teufelgeigers Niccolo Paganini
zwar nicht mit extremen Tempi, aber spielfreudig mit rasenden Klarinetten- und Flöten-Unisoni
virtuos in Szene gesetzt: Chapeau!
Mit dem zentralen, gerade erst 2018 in den USA uraufgeführtem, Werk des Abends, James
Barnes Sinfonie Nr. 9, bestreitet die Bläserphilharmonie Osnabrück eine Deutsche Erstaufführung.
Das klassisch viersätzige Großwerk stellt sich in die Tradition der großen romantischen Sinfonie
von Brahms bis Mahler. Bei diesem Werk scheint das Herzblut des Dirigenten zu schlagen. Mit
präszis gefühlvollen Gesten führt er sein Orchester durch diesen Roman aus Tönen, den, wie der
Dirigent aus einem Gespräch mit dem Komponisten berichtet, dieser nach dem Tod seiner
Schwester geschrieben habe. Da durchleidet ein heroisch-markantes Trauermarschthema viele
Facetten eines vergangenen Lebens. Es folgt ein abgründig bis ironisch interpretierter munterer
Walzer. Und im dritten Satz, „Night Music“ erklingt nach flächig changierenden Akkorden mit einer
durch die Instrumente wandernden Ornamental-Melodie aus der Ferne der Hinterbühne eine zart-
klagende nahezu jenseitige Vokalise vor dräuenden Klangwolken. Dazu passt dann der rätselhafte
choralartige Mittelteil des Schlussatzes besser als die ihn doch recht amerikanisch und militärisch
salopp daherkommenden umrahmenden Teile.
Das Beste allerdings kommt zum Schluss. Die Sopranistin Natalia Atamanchuk, langjähriges
Ensemblemitglied des Theater Osnabrück, singt aus Heitor Villa-Lobos „Bachianas Brasileiras
Nr. 5“ die Aria „Tarde! Uma nuvem rosea lenta e transparent“. Gesang und Orchester verschmelzen
in diesem kongenialen und dem Original für Gesang und acht Violoncelli mehr als ebenbürtigen
Arrangement von Wiliam Herbert in einer Bearbeitung durch Jens Schröer, zu intensiven und
herzrührenden Ausdruck sowohl in den Pianissimo-Partien als auch in den strömenden Vokalisen
oder in dem kraftvollen Textvortrag. „Mehr davon“, möchte man rufen!