Was ist die Welt?
Ein Gedicht, das uns gewissermaßen an der Hand durch das gleichnamige musikalische Programm unserer kommenden Konzerte führt, um „einen Augenblick lang den großen Weltzusammenhang [zu] ahnen“. Von Hugo von Hofmannsthal. Gesprochen von Fritz Stavenhagen. Wir danken für die freundliche Genehmigung.
„Was ist die Welt?“ (1890)
Was ist die Welt? Ein ewiges Gedicht,
Daraus der Geist der Gottheit strahlt und glüht,
Daraus der Wein der Weisheit schäumt und sprüht,
Daraus der Laut der Liebe zu uns spricht
Und jedes Menschen wechselndes Gemüth,
Ein Strahl ist’s, der aus dieser Sonne bricht,
Ein Vers, der sich an tausend and’re flicht,
Der unbemerkt verhallt, verlischt, verblüht.
Und doch auch eine Welt für sich allein,
Voll süß-geheimer, nie vernomm’ner Töne,
Begabt mit eig’ner, unentweihter Schöne,
Und keines Andern Nachhall, Widerschein.
Und wenn Du gar zu lesen d’rin verstündest,
Ein Buch, das Du im Leben nicht ergründest.
Aus: Hugo von Hofmannsthal: Gesammelte Werke in zehn Einzelbänden.
Band 1: Gedichte, Dramen, Frankfurt a.M. 1979, 85-86.