„Ins Herz geschrieben“
Meller Kreisblatt, 19.03.2012
Nein, es war kein Unterhaltungsprogramm, sondern eine Zusammenstellung von neuer, klassischer Musik für Blasorchester, die die überwiegend jungen Musiker vorstellten. „Sie werden eine Vielzahl verschiedener Klänge, mal laut und mal leise, traurig und euphorisch hören“, führte der Kontrabassist des Orchesters, Daniel Sieverding, in den Abend ein. Weiter sagte er: „Diese Musik ist mit Herzblut geschrieben, und sie soll ins Herz gehen.“ Und so lautete dann auch der Titel des Konzertabends „Ins Herz geschrieben“. Diejenigen Konzertbesucher, die sich auf neue und auch ungewohnte Klänge einlassen konnten, erlebten einen Hörgenuss der Extraklasse. „So etwas Beeindruckendes haben wir noch nie gehört“, war etwa das Fazit eines Paares, das eher zufällig in das Konzert geraten war. Von der Piccoloflöte bis zu den Pauken waren alle Instrumente inklusive eines modernen Schlagwerkes, Stage-Piano und Harfe im Altarraum der Kirche versammelt. Und es wurde auch laut, sehr laut, eigentlich eher für einen großen Konzertraum geeignet als für eine Kirche. Aber auch meditative wie von weit her klingende, fast sphärische Klänge ließen den Zuhörern immer wieder Zeit für Momente der stillen Besinnung. Das Programm umfasste Werke von Alfred Reed (1921–2005), Stephen Melillo (geb. 1957), von Frank Ticheli (geb. 1958) und James Barnes (geb. 1949). Sinfonische Werke, ein Lobgesang auf Gott, moderne Metaphern und Musik der Einkehr boten viel Raum, sich auf moderne Klänge einzulassen, die zuweilen an Wagner oder Humperdinck, aber auch an Filmmusik denken ließen, dann aber überraschend anders als alles zuvor Gehörte daher kamen. Alle denkbaren Klangerlebnisse zauberten die Blech- und Holzbläser, gepaart mit der Schlagzeuggruppe von den Pauken bis zu Triangel und Röhrenglocken. Einen Hochgenuss fürs Auge bot der Dirigent und Gründer der Bläserphilharmonie als souveräner Leiter, der seine über 50 Musiker mit Überblick und absolut sauberer Schlagtechnik durch das Programm leitete. Eine Zugabe mit Namen „Herzchakra“ schenkte er dem begeistert applaudierenden Publikum in der gut besuchten Petrikirche.
„Reiz der sinfonischen Blasmusik“
Neue Osnabrücker Zeitung, 19.03.2012
Musik für große Bläserbesetzungen stellt hohe Anforderungen an die Ausführenden. Auf der anderen Seite verzichten die Komponisten in aller Regel auf Experimente oder gar klangliche Provokationen – das schmeichelt den Ohren der Zuhörer. Stimmt die Qualität der Ausführung, steht dem Erfolg nichts im Wege, wie nun beim Konzert der Bläserphilharmonie Osnabrück in St. Katharinen. 60 Musikerinnen und Musiker unter der Leitung von Jens Schröer präsentierten einen Querschnitt durch die aktuelle Literatur, die sich einerseits auf kirchliche Wurzeln bezieht, wie in Alfred Reeds „Alleluja, laudamus te“, andererseits ihre Anknüpfungspunkte im Außermusikalischen sucht – Programmmusik nennt sich das seit dem 19. Jahrhundert. Stephan Melillos setzt dabei durchaus philosophische Vorbildung voraus: Seine „Flucht aus Platons Höhle“ bezieht sich auf das Höhlengleichnis. Fagott und Horn fangen die bedrückende räumliche Enge der Höhle ein, wohlige Mollklänge scheinen dagegen soziale Wärme zu kennzeichnen. Die aufwühlende „Flucht ins Licht“ findet schließlich ihre Entsprechung in permanenter klanglicher Unruhe. James Barnes reflektiert in seiner 3. Sinfonie den Tod eines seiner Kinder – in Fragemotiven, brutalen Dissonanzen. Das „Scherzo“ klingt nach sardonischem Gelächter in irrem Schmerz – öffnet aber auch den Weg zu Frieden und Hoffnung. Das fordert die schlüssige Interpretation durch den Dirigenten, setzt aber auch solistische Fähigkeiten einzelner Spieler voraus – die das Publikum mit begeistertem Applaus bedenkt.