„Politik ist stärker als Liebe“
Neue Osnabrücker Zeitung, 05.03.2012
„Giuseppe Verdis Oper Aida als Kammerspiel, kann das funktionieren? Ja, sehr gut sogar. Regisseurin Yona Kim hat, zusammen mit einem vorzüglichen Ensemble, dem Osnabrücker Theater einen fulminanten Opernabend bereitet. Ein Tenor mit Durchschlagskraft war Ricardo Tamura schon immer. […] Als Radamès in Verdis Aida demonstriert Tamura seine Entwicklung zum brillanten italienischen Tenor. Darauf baut die zutiefst musikalische Inszenierung der koreanischen Regisseurin Yona Kim. Auf der Bühne von Étienne Pluss schiebt sich eine lange Tafel schräg in die Tiefe, ein Deckenelement verengt oder weitet den Guckkasten- der zudem auch noch den Gesang fokussiert. Da bleibt viel Fläche für die Dreiecksgeschichte mit tödlichem Ausgang um Radamès, Aida und die Prinzessin Amneris. Gleichzeitig öffnet das sauber strukturierte Bühnenbild Daniel Inbal am Pult des Osnabrücker Symphonieorchesters Entfaltungs- und Gestaltungsräume. […] Chor und Extrachor, vorzüglich vorbereitet von Holger Krause, die Bläserphilharmonie Osnabrück unter der Leitung von Jens Schröer, schließlich sechs Aida-Trompeten verwandeln das ganze Haus in eine Bühne. […] Der demente König (trotzdem stimmgewaltig: Mark Sampson) spielt nur noch als Attrappe der Macht eine Rolle; die Strippen zieht Oberpriester Ramfis (Genadijus Bergorulko mit einschmeichelnder Stimme). Doch das gegnerische Regime ist keinen Deut besser: Der äthiopische König Amonasro (edel im Klang: Daniel Moon) degradiert seine Tochter Aida zur Agentin, die dem Feind Kriegsgeheimnisse entlocken muss. Yona Kim erzählt das bezwingend schnörkellos. Vor allem stellt sie ein fulminat singendes Terzett ins Zentrum ihrer Inszenierung: den Radamès Ricardo Tamura, die furiose Amneris von Jenice Golbourn und die brillante Aida Lina Liu. Die Afroamerikanische Golbourn macht aus der Königstöchter Amneris einen Vulkan kurz vor dem Ausbruch. In glänzenden Roben verströmt sie optisch die Verschwendungssucht einer Kleopatra, in der Stimme pure Sinnlichkeit. […] Gekrönt wird das stimmige Trio aber von Lina Liu. Mit eingezogenen Schultern druckt sie sich weg vor einem hässlichen Leben. […] Von dieser Tragik erzählt Lina Liu in bezaubernd lyrischen Gesangslinien und mit einer Klarheit in der Stimme über alle Lagen hinweg. […]“
„Der Oscar geht an Radames“
Opernnetz – Zeitschrift fuer Musiktheater und Oper, 05.03.2012
[…] Denn die Musiker unter der Gesamtleitung von Daniel Inbal vereinen sich gerne zum großen Forte-Effekt, der durchaus Eindruck macht und vom Publikum auch begeistert honoriert wird. Allerdings grenzt dieses Forte zuweilen an Krach, für die Sänger ist es hörbar nur noch Material singen, und könnte auch zwei Theater mühelos füllen. Dafür entschädigt aber, dass das Osnabrücker Symphonieorchester sich ansonsten in guter Form präsentiert und einen herrlichen Verdi spielt. Vor allem die Blechbläser und die Bläserphilharmonie Osnabrück unter der Leitung von Jens Schröer muss man für die sichere Umsetzung des Triumphmarsches loben. […] „Gnadenschuss für Radames“ (Die Deutsche Bühne, 02.05.2012) […] Verdis „Aida“ ist für eine Bühne von der Größe des Theaters Osnabrück eine Herausforderung. Man muss sich das nur einmal quantitativ klarmachen: 130 Personen sind beteiligt an Yona Kims „Aida“-Inszenierung – das ist in einem „Großen Haus“, in dem rund 600 Zuschauer Platz finden, mit einem Orchestergraben, in dem es schon ab 50 Musikern eng wird, eine Menge Mensch. Und wenn das Osnabrücker B-Orchester dann auch noch durch die Bläserphilharmonie Osnabrück verstärkt wird, die im Triumphmarsch als Banda an den Seiten der Bühne Aufstellung nimmt, dann erschüttert die Klangwucht der Orchester-Phalanx mit den Aida-Trompeten von der Empore das ganze Haus. Es ist eine beachtliche Leistung, dass der Dirigent der Aufführung Daniel Inbal diese Klangmassen zu einem erstaunlich profilierten Ganzen zu formen versteht, sehr plastisch in den Konturen, rhythmisch spannungsgeladen, dabei dynamisch aber ausgesprochen diszipliniert. […]