Vier Spitzenkönner am tiefen Blech
eurowinds, Ausgabe 5/13
[…] Das Orchester verstand es vortrefflich, jene Farben der beiden Werke („Orient et Occident“, „Les murmures du vent“) herauszuarbeiten und die je eigene Tonsprache schlüssig zum Klingen zu bringen. In den fünf Sätzen von Darius Milhauds „Suite francaise“ zeigte sich die Bläserphilharmonie stilistisch von einer weiteren Seite: Von baskischer Folklore bis hin zu polytonalem Großstadtgetümmel bietet Milhauds musikalische Hommage einen großen Farbenreichtum, bei dem vor allem die filigranen und leichtfüßig im Ausdruck gestalteten Sätze gefielen. Schröer gelang es dabei, die Themenengführungen der französischen Volkslieder und ihre Phrasierung transparent und überzeugend zu gestalten. Elegische Feinfühligkeit besaß besonders der vierte Satz „Alsace-Lorraine“, der einen heimlichen Höhepunkt bildete. Mit „La cathédrale engloutie“ stand eine von zwei Klaviertranskriptionen auf dem Programm. Ähnlich Leopold Stokowskis Fassung dieses Préludes von Claude Debussy, schuf Merlin Patterson eine freie Bearbeitung in opulentem orchestralem Gewand. Dirigent und Orchester griffen sicher und klanglich ausbalanciert den dem Werk innewohnenden noblen wie hymnischen Gestus auf und zeigten einmal mehr, dass vor allem die schlüssige musikalische Ausgestaltung und zielgerichtete Spannungsbögen Stärken des Orchesters sind. Gleichermaßen bewiesen sich die Osnabrücker Bläser aber auch im kammermusikalischen, intimen Klang von Ravels „Pavane pour une infante défunte“ mit seiner schwelgenden Hornmelodie in der feinfühligen Transkription Makio Kimuras. Neben den genannten Meisterwerken stand zugleich ungewöhnlicher Weise die Tuba und das Euphonium im Zentrum des durch und durch französischen Programms: In Kooperation mit dem „Deutschen Tuba-Forum“ kam zudem Maxim Aulios Solokonzert „Les trois Mousquetaires“ für Tuba-Quartett und Blasorchester zur Aufführung. Mit Hans-Reiner Schmidt, Jörg Wachsmuth, Wolfram Krumme und Matthew Segger waren vier renommierte Blechbläser zu Gast in Osnabrück, die bereits am Vortag einen Workshop gaben, bei dem etwa 40 Teilnehmer aus ganz Deutschland vom Können der vier Solisten profitieren konnten. Aulio richtet in seinem Tuba-Quartett den Fokus auf die Figur des „D´Artagnan“, den sensiblen, romantischen, aber vor allem auch naiven, ungestümen Charakter, der sich leicht von Frauen bezaubern lässt. „Mit stolz geschwellter Brust“ stürzten sich auch die vier Solisten sinnbildlich mit Fanfaren über das Orchester ins Abenteuer und brillierten mit vollem, sonorem Ton. Besonders der zweite romantisch anmutende Satz traf unmittelbar ins Herz. Flankiert wurde das Solokonzert von Martin Ellerbys „Paris Sketches“, das aus der sakralen Atmosphäre der gotischen Pariser Kathedralen hinausführt auf die Rummelplätze um den Montmartre, zu den paradiesisch grünen Alleen des „Père Lachaise“ und zu den großen Pariser Markthallen. Die Bläserphilharmonie überzeugte einmal mehr, ob im atmosphärisch dichten zweiten Satz oder aber auch im pulsierenden, nach vorne treibenden 12/8-Rhythmus des letzten Satzes. Mit dem zitierten Themenkopf von Hector Berlioz „Te Deum“ mündeten letztlich die „Paris Sketches“ in ein majestätisches, geradezu hymnisches Finale einer Konzert-Matinee „à la francaise“ – eben mit Bläsermusik auf französische Art.
Französische Klänge
Neue Osnabrücker Zeitung, 25.06.2013
Das jüngste Konzert der Bläserphilharmonie Osnabrück „à la française“ setzt keine Sprachkenntnisse voraus, aber Sympathie für französisches Musikempfinden. Wem harmonische Wendigkeit, leichtfüßige Dynamik und elegische Feinfühligkeit musikalisch zusagen, der kommt auf seine Kosten. Auffallend ist, dass diese Art zu musizieren der Bläserphilharmonie guttut. Dirigent und Ensemble präsentieren sich spritziger denn je – befreit von symbolträchtigem Pathos. Allerdings ist es nicht nachteilig, wenn man Paris ein wenig kennt. Bei Martin Ellerbys Pariser Skizzen stellen die Musiker besonders deutlich den pikanten Schwung von „Pigalle“ einer friedvollen Gangart im „Père Lachaise“ gegenüber. Darius Milhauds Suite française op. 248 versteht sich dagegen kaum als landschaftliche Schilderung Frankreichs. Es ist einfach Musik, die tief verträumte Passagen neben wirbelnde Springtänze stellt. Von Experten im Publikum mit Spannung erwartet werden die Instrumentierungen bekannter Klavierstücke. Und tatsächlich, die „Pavane pour une infante défunte“ nach Maurice Ravel erscheint in der Bläserfassung von Makio Kimura äußerst vorteilhaft. Wunderschöne Töne ergibt schließlich das Zusammenwirken der Bläserphilharmonie mit einem Bläserquartett, bestehend aus Euphonium und Tuba. Hier spielen Hans Reiner Schmidt und Jörg Wachsmut das Euphonium, Matthew Segger und Wolfram Krumme blasen ihr Bassinstrument. Gemeinsam bringt man „Les trois mosquetaires“ op. 8 von Maxime Aulio zur Aufführung. Dank der Fülle und Ruhe des Klanges sorgen die exponierten Stellen vom Tubaquartett für eine wohltuende Seelenmassage. Den größten Kontrast dazu bildet das stilistische Farbenspiel in Camille Saint-Saëns Grande Marche pour grande Harmonie op. 25, betitelt „Orient et Occident“.